Griechische Sommerbilder

 

 

 

B I L D E R  V O N  D E N  G Ö T T E R N

 

Die Wälder, die Tiere und die Hellenen sind gegangen. Die  Götter der Hellenen aber erfüllen noch immer das Land zusammen mit so vielem, was jene den Unsterblichen zu Ehren einst schufen.

 

Die Götter der Hellenen waren ihren Geschöpfen ähnlich. Wie diese waren die Götter sowohl ihrem eigenen Wesen als auch  einem ihnen selbst verborgenen Schicksal unterworfen. So kam es den Himmlischen weder in den Sinn, den Irdischen die Abkehr von ihrer Menschennatur  abzuverlangen noch sie durch ein Buch voller   Drohungen  und Verheißungen  zu verwirren. Die Olympischen ermutigten die Menschen vielmehr, dem Wesen der Dinge selbst nachzuspüren.

 

Haides

 

I

n einem nur wünschten die Ewigen sich von den Menschen zu unterscheiden. Nur einen kurzen Weg auf der sonnendurchglühten Erde  gönnten die Unsterblichen  ihren verletzlichen Geschöpfen.

Die Menschen aber, oft Söhne und Töchter der Himmlischen selbst, hatten die Kraft,  das über sie Verhängte, ihre Sterblichkeit, mit  Gelassenheit zu tragen.

So liegt keine Bitterkeit in den Worten eines trojanischen Kriegers, von seinem Kampfesgegener nach seiner Herkunft befragt:

 

       „Gleich wie Blätter im Walde, so sind die Geschlechter der Menschen;

        Blätter verweht zur Erde der Wind nun, andere treibt dann

        Wieder der knospende Wald, wenn neu auflebet der Frühling;

        So der Menschen Geschlecht, dies wächst und jenes verschwindet.“

        (Ilias, 6. Gesang, 146 - 149)

 

Hektor, von seinem Weibe beschworen, doch  nicht auszuziehen in den tödlichen Kampf, entgegnet:

 

 

 

 

    „Armes Weib, nicht mußt du zu sehr im Herzen dich grämen.

     Gegen das Schicksal wird mich keiner zum Hades senden.

     Denn dem Verhängnis entrann wohl nie der Sterblichen einer,

     Edel oder gering, nachdem er einmal gezeugt ward.“

     (Ilias, 6. Gesang, 486 - 489)

 

 

 

In Tränen versucht die Meeresnymphe Thetis,  ihren Sohn, den schnellfüßigen Achilleus, vom Kampfe fernzuhalten:

 

  „Bald, mein Sohn, verblühet das Leben dir, so, wie du redest!

        Denn alsbald nach Hektor ist dir dein Ende geordnet!“

Doch:

        „Unmutsvoll antwortet drauf der schnelle Achilleus:

        Möcht ich sogleich hinsterben, da mir nicht gönnte das

           Schicksal,

        meinen erschlagenen Freund zu verteidigen! Fern von der Heimat

        Sank er und mangelte meiner, des Fluchs Abwehrer zu werden!“

        (Ilias, 18. Gesang, 95 - 100)

 

Am Ende ihrer Wanderung auf Erden öffnen sich den Sterblichen die Tore der  Unterwelt. Mit dem greisen Fährmann Charon überqueren sie den  grauen Fluß, welcher das vom Höllenhund Kerberos bewachte Reich des Zeusbruders Haides umschließt. Für immer sind sie dann gefangen in den lichtlosen Gestaden , „...Tote

        Nichtig und sinnlos wohnen, die Schatten gestorbener Menschen.“

        (Odyssee, 11. Gesang, 475 f.)

 

Es ist die leere Tiefe, in welcher der Held Achilleus klagt:

 

      „Lieber möcht ich als Knecht einem anderen dienen im Taglohn,

      Einem dürftigen Manne, der selber keinen Besitz hat,

      Als hier Herrscher sein aller abgeschiedener Seelen.“

      (Od.,11. Gesang, 488 - 491)

 

 

Grabmal

 

Das Reich der Schatten läßt keine Hoffnung mehr auf das Licht. Für diejenigen aber, welchen wie dem jungen Achilleus das Verbundensein mit dem Freund  von größerem Wert   ist als das Atmen unter dem  hellen Himmelsgewölbe,  birgt die lichtlose Tiefe die Hoffnung auf ein Wiedersehen.

 

In Öl gesalbt, gekleidet in weiße Gewänder und mit Blumen bekränzt, wurden in Hellas die Verstorbenen zu ihrer Ruhe gebracht. Auf den Grabplatten standen steinerne Tafeln oder marmorne Ölgefäße, auf welchen die Lebensdaten, oft auch die Bildnisse der Toten und ihrer Angehörigen abgebildet waren.

Manche dieser Grabmäler sind uns erhalten geblieben, z.B. dieses aus der Münchner Glyptothek:

 

Ein ca. 70 cm hohes marmornes Ölgefäß zeigt das Relief der jungen verstorbenen Frau und ihres trauernden Gatten. Beide stehen voreinander und reichen sich die Hand. Die Frau, deren  faltenreiche Gewänder  die Schönheit ihrer schmalen Gestalt nicht verhüllen, hat den linken Fuß wie im Fortgehen nach rückwärts gewendet. Das vom Obergewand wie zu einer Reise bedeckte Haupt ist geneigt, der Blick des uns so über die Maßen vertraut und schön anmutenden Gesichtes nach unten gesenkt. Die Linke hängt lose herab. Ebenso matt liegt die Rechte in der Hand des Gatten, so, als hätten die zarten Finger nicht mehr die Kraft,  die  Hand des anderen zu umschließen.

 

Der Mann ist größer als seine Gemahlin. Das Gewand läßt die rechte Schulter seines kräftigen Körpers unbedeckt. Als wolle er auf seine scheidende Frau zugehen, ist seine Gestalt ihr zugeneigt, hat er seine Füße wie im Vorwärtsschreiten gesetzt. Suchend ist sein männliches Antlitz, sind seine Blicke auf sie gerichtet. Fest schließen sich seine Finger um ihre Hand.  Die Linke, vom Gewand umhüllt, hält er gegen die Brust gepreßt. „Bleib!“ sagen seine Augen, sagt seine ganze Gestalt, aber er sagt es im Wissen um die schon gegebene Antwort. Er sagt es im Bewußtsein, das Höchste zu besitzen, was Sterblichen gegeben sein kann auf Erden: Das, was von den Göttern verhängt ist, mit Würde zu ertragen. Und er sagt es  in der Gewißheit, daß Sterbliche, die sich für immer miteinander verbunden haben, wie Götter die Unsterblichkeit besitzen.

(München, Glyptothek, Attisches Grabmal: Lekythos mit Ehepaar um 375 v.Chr. Marmor, Höhe des Gefäßes 74 cm)

 

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