Griechische Sommerbilder

 

 

Asklepios

 

Ein anderer Sohn Apollons war Asklepios. Als die Mutter, eine Sterbliche, mit dem Kind des Gottes schwanger war, heiratete sie dennoch einen anderen. Apollon war so zornig, daß er seine Schwester Artemis bat, die Treulose mit ihrem Todespfeil zu töten, dann aber das Kind aus dem Leib der toten Mutter zu bergen. Der Sohn Asklepios wuchs bei dem weisen Kentauren Chiron auf, welcher ihn in die Heilkunst des göttlichen Vaters einführte. Asklepios war ein so guter Schüler, daß er schließlich selbst Tote dem Leben zurückzugeben imstande war. Da aber schaltete sich Zeus ein. Er sah darin eine Verletzung der von ihm gesetzten Ordnung und soll Asklepios als Strafe für seine Eigenmächtigkeit mit seinem Donnerkeil getötet haben.

 

Hat Zeus  ihn wirklich getötet? Konnte er ihn töten, den Sohn eines Unsterblichen? Die Hellenen bauten ihrem göttlichen Helfer jedenfalls zahlreiche Heiligtümer, wo seine Priester die  Kunst des Heilens  erlernten und ausübten.  Die Kranken  flehten unbeirrt zum väterlichen Bild des  milde blickenden Gottes und spürten seine mitfühlende, ermutigende Nähe.

 

Auf der Insel Kos befand sich ein solches Heiligtum des  Asklepeios, ein Asklepeion, noch heute bekannt durch seinen weltberühmten Priesterarzt Hippokrates. Hier befanden sich Wohnungen für Ärzte und Kranke, Behandlungsräume, Badeeinrichtungen, Forschungsstätten und medizinische Museen. Eine die Stätte nach außen abschließende Mauer war auf ihrer Innenseite mit mannshohen Nischen ausgestattet, in welchen  Statuen von Göttern und Priestern  aufgestellt waren. Zu ihren Füßen floß heilendes Wasser aus dem Stein. Auf dem terrassenförmigen Gelände waren im Laufe der Zeit drei Tempel erbaut worden, zwei für den heilkräftigen Gott, einen für seinen göttlichen Vater. Die Tempel waren angefüllt mit Schätzen, Statuen und  beschriebenen Tafeln, Weihgaben derer, welche sich dem Gott und seinen Priestern übergeben hatten, um das neu zu erlangen, was sie den Unsterblichen ähnlich machte, Schönheit und Kraft.

 

Mit Eindringen des Christentums wurde auch das Asklepeion von Kos aufgelöst, verwüstet, zerstört und inmitten der Trümmer eine Basilika aufgestellt. Bald aber war auch die Stätte des christlichen „Heilandes“ verlassen, von Dornen überwachsen, vergessen. Rund eineinhalb Jahrtausende gingen über das Heiligtum hin und entzogen es den Blicken der Menschen.

 

 

 

Am Beginn dieses Jahrhunderts hat der deutsche Archäologe Rudolf Herzog

das Asklepeion von Kos ausgegraben und es der Betrachtung der Menschen zurückgegeben.

Es ist das gewohnte Bild: Von Staub umgeben stehen nun die gebleichten Mauern. Die Nischen sind leer, die Quellen ausgetrocknet. Die wenigen noch aufrechten Tempelsäulen sind ohne Sinn. Im gelbdürren Gras liegen  zerbrochen die Steine.

 

 

 

 

Ohne Anteilnahme sendet  der Belebende und Verzehrende die Ströme seines Lichtes über den stummen Stein, über die kahlen, vom zitternden Mittagsdunst verhüllten Berge. Nur wenige kommen, schauen eine Zeit leer über die erstorbenen Stätte hin, um  schnell wieder davon zu gehen.

 

An einer Seite jedoch grenzt der heilige Boden noch immer an einen Pinienhain, wie ein solcher einst das ganze Heiligtum umgeben haben mag. Aus dem Waldesboden, aus dem  Holz der Äste, aus den biegsamen Nadeln strömt ein würziger Hauch, und zwischen Dämmer und Glanz streicht um die dunkeln Stämme die erlösende Kühle. Da  berührt der heilende Gott noch immer den vom Glühen Zerschlagenen, den vor Schmerz Verstummten, den Hoffnungslosen mit seiner milden Hand und lädt ihn ein, ihm das, was sonst nirgendwo zu heilen ist, für immer zu übergeben.

 

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